Die Schönheit, ja die Klasse von Musik lässt sich heutzutage weniger denn je an Verkaufszahlen messen. Nehmen wir mal die Taylor Swifts und Kanye Wests dieser Welt aus, sind Musiker, ganz gleich welchen Genres, gehalten, sich nicht mehr nur auf den Gewinn aus ihren kommerziell veröffentlichten Songs und Alben zu verlassen, sondern auf Konzertreise zu gehen und mit ihren Fans direkter in Kontakt zu treten. Damit wären wir bei dem kanadischen Duo Madison Violet angelangt. Seit ihrer Gründung vor nunmehr 17 Jahren haben es sich Brenley MacEachern und Lisa MacIsaac, die sich den Gesang, das Gitarrenspiel und das Songwriting nahezu schwesterlich teilen, zur Doktrin gemacht, mit ihren Songs die Welt zu bereisen.
In den nahezu zwei Dekaden ihrer Karriere sind Madison Violet mit ihren Songs durch die Welt gezogen, als gäbe es kein Morgen. Sie haben mit Gott und der Welt gespielt: mit den Hothouse Flowers aus Irland, Runrig aus Schottland, dem US-amerikanischen Duo Indigo Girls oder ihrem Landsmann Ron Sexsmith. Aber vor allem sind sie alleine durch internationale Clubs getourt, häufig als Duo, mitunter um Gastmusiker respektive Freunde ergänzt als Trio oder als Quartett. Sie spielen bis zu 200 Konzerte im Jahr, sie sind durch Australien mit einem Camper getourt, haben an Surfstränden ebenso Songs geschrieben, wie auf der Antilleninsel Grenada und in London. Brenley und Lisa haben ihr modernes Nomadentum perfekt kultiviert. Und natürlich haben all die Begegnungen unterwegs auch ihre Musik geprägt, eine angenehm temperierte, rauchig warme Melange aus zärtlichem Americana, prägnantem Folk und koketten Alternative-Popmelodien.
„The Knight Sessions“ folgt ihrem letzten Studioalbum „Year Of The Horse“ aus dem letzten Jahr förmlich auf dem Fuße – in ihrer sechs Studioalben und ein Livealbum umfassenden Diskographie geradezu ein Schnellschuss. Aber, so viel vorweg, es ist ein Schuss ins Schwarze. Mit „The Knight Sessions“ vollziehen Madison Violet eine feine Kehrtwende zum letzten Studioalbum. Statt ausgefeiltem Bandsound haben sich die beiden Musikerinnen wieder vornehmlich aufs Wesentliche konzentriert und kehren zu ihren eigenen Wurzeln zurück – nur mit viel mehr Erfahrung, künstlerischem Selbstverständnis, Verve und Mut zur Innovation als in ihren frühen Tagen.
Zugleich bilden die Songs eine Art Epilog zum letzten Studioalbum: So haben Madison Violet die Songs „These Ships“, „Same Sun“, „Ohio“, „Operator“ und „Trouble“ noch einmal neu aufgenommen, präsentieren sie in neuen, zumeist akustischen Versionen. „These Ships“ hatte bereits zuvor als Dance-Remix aus „Year Of The Horse“ in den USA für Furore auf Spotify gesorgt und die Millionengrenze überschritten. Auf dem neuen Album liegt nun ebenfalls ein Remix vor, der den Sessions eine unerwartete und doch gelungene Schlussnote verleiht. Dazwischen spielen Madison alle ihre Stärken aus. Eines der absoluten Highlights unter den neuen Stücken ist „Hush“, eine grandios gestaltete Hybride aus Country-Swing und Dub, samt Neil-Young-Harmonika und True- Detective-Chören, bei der man meint, makabre Nursery Rhymes zu hören, aus denen eine Schauergeschichte zu erwachsen scheint.
Packend sind ihre Songs allemal. Sei es der einprägsame Opener „We Are Famous“, der eigentlich von jedem Radioredakteur mit Herz und Sachverstand auf jene Playlist gesetzt werden sollte, mit der unsereins wohlgemut in den Tag kommen möchte. Sei es das verträumte „How We See Love“ mit seinen weichen Slide- und sehnenden Violinenklängen, das wie eine Kampfansage an die Herausforderungen von Alltag und Liebe wirkende „The Heat“, das die Wechselfälle des Lebens beschwörende „Trouble“, oder musikalische Sonnenaufgänge wie „Same Sun“ und „Don’t Let Your Heart Be Troubled“. Madison Violet durchfluten ihre Songs mit so viel positiver Energie, dass es die pure Freude ist, ihnen zuzuhören.
Vor den Aufnahmen der „Knight Sessions“, welche das Duo gemeinsam mit Tino Zolfo produziert hat und deren Aufnahmen von einigen Gastmusikern punktuell unterstützt wurden, sind Brenley und Lisa durch die Trödelläden von Toronto gezogen, um nach perkussivem Spielzeug und ausgefallenen Instrumenten Ausschau zu halten. Ihre kuriosen Fundstücke wie eine unvollständig besaitete Ukulele, Bauklötzchen und diverser elektronischer Schnickschnack wurden dann in die Aufnahmen integriert, was eine kluge Fußnote ihres formidabel produzierten Albums bildet, mit dem dieses Musikerinnengespann noch einmal an Substanz und Strahlkraft gewonnen hat.
Abendkasse: 22€
Vorverkauf: 18€